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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 17.03.2005
Aktenzeichen: 20 W 427/04
Rechtsgebiete: BGB, BVormVG
Vorschriften:
BGB § 1836 | |
BGB § 1836 a | |
BGB § 1908 i | |
BVormVG § 1 I 2 Nr. 2 |
2. Das dreistufige Vergütungssystem des § 1 Abs. 1 BVormVG lässt es nicht zu, unter Verzicht auf einen Berufs- oder Hochschulabschluss allein auf das Vorhandensein entsprechender Fähigkeiten oder Kenntnisse abzustellen.
Gründe:
Die kraft Zulassung im angefochtenen Beschluss gemäß § 56 g Abs. 5 S. 2 FGG statthafte sowie frist- und formgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. Sie führt in der Sache nicht zum Erfolg, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem berufsmäßig bestellten Betreuer, der nach einem erfolgreich abgeschlossenen Hochschulstudium der Fachrichtung Landschaftsplanung mit anschließender Promotion die Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung Heilpraktiker eingeschränkt für Psychotherapie erlangte und mehrere Jahre als Lehrer an einer berufsbildenden Schule und Vertretungsprofessor an der Universität A sowie als Sozialwissenschaftler und Suchttherapeut in einer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie tätig war, für seine Tätigkeit ein Stundensatz von 31,-- Euro zusteht.
Die Entscheidung des Landgerichts, wonach die abgeschlossene Hochschulausbildung des Betreuers und seine bisherigen sonstigen Tätigkeiten die Voraussetzungen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 2 BVormVG für die Bewilligung eines Stundensatzes von 31,-- EUR nicht erfüllen, lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
Gemäß §§ 1836 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2, 1836 a BGB bemisst sich die Vergütung des Berufsbetreuers, die bei Mittellosigkeit des Betreuten aus der Staatskasse zu zahlen ist, nach § 1 BVormVG.
Gemäß § 1 Abs. 1 BVormVG ist für jede Stunde der für die Führung der Betreuung aufgewandten und erforderlichen Zeit ein der Qualifikation des Betreuers entsprechender vom Gesetzgeber in einer typisierten dreistufigen Skala verbindlich festgelegter Betrag zuzüglich Mehrwertsteuer vorgesehen. Der Mindestsatz beträgt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 BVormVG 18,-- Euro. Verfügt der Vormund über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Vormundschaft nutzbar sind, so erhöht sich die Vergütung auf 23,-- Euro, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre erworben sind, und auf 31,-- Euro, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule erworben sind. Abgeschlossene Ausbildungen, die diesen beiden Qualifikationen vergleichbar sind, werden ihnen gleichgestellt (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 BVormVG).
Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (vgl. etwa FamRZ 2002, 1657 und OLG-Report Frankfurt 2002, 189 und 2003, 62) sind besondere, für die Führung einer Betreuung nutzbare Fachkenntnisse solche, die bezogen auf ein bestimmtes Fachgebiet über ein Grundwissen deutlich hinausgehen und geeignet sind, die Geschäftsführung des Betreuers zu erleichtern, weil sie ihn befähigen, seine Aufgaben zum Wohle des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen (vgl. BT-Drucks. 13/1758 S. 14; Palandt/Diederichsen, BGB, 61. Aufl., § 1836 Rn. 14; BayObLG BtPrax 2000, 81). Dabei müssen diese Fachkenntnisse nicht das gesamte Anforderungsprofil aller theoretisch in Betracht kommenden Betreuungsaufgaben abdecken. Vielmehr reicht es aus, wenn sie zur Bewältigung bestimmter betreuungstypischer Aufgabenkreise verwendbar sind (vgl. BT-Drucks. 13/1758 S. 14/15; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1836 a BGB Rn. 50; Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1836 a Rn. 2; OLG Zweibrücken FGPrax 2001, 21). Angesichts der gesetzlichen Betonung der rechtlichen Betreuung (§ 1901 Abs. 1 BGB) kommt rechtlichen Kenntnissen hierbei eine besonders grundlegende Bedeutung zu. Betreuungsrelevant sind im Allgemeinen ferner Kenntnisse in den Bereichen Medizin, Psychologie, Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Soziologie und Wirtschaft. Allerdings muss die Ausbildung hierbei in ihrem Kernbereich und nicht nur am Rande auf die Vermittlung derartiger betreuungsrelevanter Kenntnisse ausgerichtet sein (vgl. BayObLG, a.a.O. und BtPrax 2000, 124/125; Senatsbeschluss vom 08. April 2002 - 20 W 368/01 - in OLG-Report Frankfurt am Main 2002, 189).
Ob ein Berufsbetreuer die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG erfüllt, obliegt der Beurteilung des Tatrichters und kann vom Rechtsbeschwerdegericht lediglich auf Rechtsfehler überprüft werden (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG), die nur vorliegen, wenn der Tatrichter einen unbestimmten Rechtsbegriff verkannt hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Betracht gelassen, gegen Denkgesetze verstoßen oder allgemein bekannte Erfahrungssätze nicht beachtet hat (vgl. BayObLG BtPrax 2000, 81/82 und 124/125).
Nach diesen Grundsätzen weist die Entscheidung des Landgerichts, wonach die von dem Betreuer abgeschlossene Hochschulausbildung der Fachrichtung Landschafts- und Freiraumplanung jedenfalls in ihrem Kernbereich keine betreuungsrelevanten Kenntnisse vermittelt, keine Rechtsfehler auf. Das Landgericht ist bereits in seinem Beschluss vom 08. März 2004 - 3 T 603/03 - (Bl. 86 ff. d.A.) unter eingehender Würdigung der Prüfungsgebiete und Prüfungsfächer dieses Studienganges im Grund- und Hauptstudium zu der Einschätzung gelangt, dass hierdurch betreuungsrelevante Kenntnisse allenfalls am Rande und mit untergeordneter Bedeutung vermittelt werden. Diese Einschätzung ist zutreffend und wird auch durch den Hinweis der weiteren Beschwerde, das Studium vermittele in großem Umfang interdisziplinäre Kenntnisse im Bereich der Schulung sozialwissenschaftlichen Denkens, des sogenannten Fall-Managements und der kommunikativen Kompetenz, nicht ausgeräumt. Zwar mag es sich hierbei um allgemeine und fächerübergreifende Kenntnisse handeln, die den Absolventen in verschiedenen späteren beruflichen Tätigkeiten von Nutzen sein können. Dies vermag jedoch nichts an der zutreffenden Einschätzung des Landgerichts zu ändern, dass das von dem Betreuer abgeschlossene Hochschulstudium jedenfalls in seinem Kernbereich nicht auf die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse ausgerichtet war.
Soweit der Betreuer mit der weiteren Beschwerde sich erstmals auf das ihm nach einer sozialtherapeutischen Fortbildung "Schwerpunkt Sucht" von dem ... e.V. erteilte Abschlusszeugnis beruft, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde keine Berücksichtigung finden kann. Im Übrigen handelt es sich hierbei ersichtlich nicht um eine Prüfung im Sinne des § 2 BVormVG i. V. m. § 1 Abs. 1 und 2 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum BVormVG vom 31. Oktober 2001 (GVBl. I S. 441).
Des weiteren rügt die weitere Beschwerde erfolglos, dass das Landgericht mit der formalen Differenzierung und der Forderung nach einem Hochschulabschluss dem Sinn und Zweck des § 1 BVormVG nicht gerecht geworden sei. Die von dem Betreuer vorgetragene Rechtsauffassung, der Höchststundensatz des § 1 Abs. 1 S. 2 Ziff. 2 BVormVG sei auch dann zuzubilligen, wenn Kenntnisse vorlägen, die zwar nicht durch einen in seinem Kernbereich hierauf gerichteten Studium vermittelt worden seien, jedoch auf der Grundlage eines Studiums durch fachliche Weiterbildung und Spezialisierung in verschiedenen beruflichen Tätigkeiten erworben wurden, findet im Gesetz keine Stütze. Der Betreuer hebt selbst hervor, dass er über eine spezielle sozialwissenschaftliche oder psychologische Hochschulausbildung mit Abschluss gerade nicht verfügt. Zwar belegen die von ihm bisher ausgefüllten beruflichen Tätigkeiten als Lehrer an einer berufsbildenden Schule und Vertretungsprofessor sowie als Sozialwissenschaftler mit dem näher umschriebenen und vom Landgericht gewürdigten Tätigkeitsfeld am Klinikum A, dass er in der Lage war, diese beruflichen Tätigkeiten auszufüllen und die sich hierzu erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten anzueignen. Das dreistufige Vergütungssystem des § 1 BVormVG differenziert jedoch ausdrücklich nicht nach vorhandenen Fähigkeiten und Kenntnissen, sondern fordert ausdrücklich eine durch eine Prüfung abgeschlossene Lehre oder Hochschulausbildung bzw. einen jeweils vergleichbaren Berufsabschluss. Eine Ausnahme, die unter Verzicht auf einen Berufs- oder Hochschulabschluss allein auf das Vorhandensein entsprechender Fähigkeiten oder Kenntnisse abstellt, ist im Gesetz gerade nicht vorgesehen und wäre im Hinblick auf die schwierige Möglichkeit des Nachweises im Einzelfall in der Praxis auch nicht umsetzbar.
Die sofortige weitere Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO.
Ende der Entscheidung
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